Felix König ist als promovierter Mathematiker einer unter einigen Dutzend Algorithm-Engineers, die das Unternehmen TomTom auf der ganzen Welt beschäftigt. Der Anbieter für Navigationssysteme und -dienstleistungen mit Hauptsitz in Amsterdam benötigt effiziente Algorithmen, um Verkehrsdaten und geografische Informationen schnell zu verarbeiten und Verkehrsteilnehmern zur Verfügung zu stellen. Felix König arbeitet mit Forschern an Universitäten zusammen, um die Routenplanung zu verbessern, und kreiert Algorithmen für neue GPS-basierte Applikationen. Kristina Vaillant, freie Journalistin in Berlin, sprach im Auftrag der DMV mit Felix König.

KönigFelix König. Foto: Rene Beier

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Mathematik zu studieren?

In der Schule war Mathematik mein Lieblingsfach, aber vor allem war mein Mathematiklehrer auch mein Lieblingslehrer. Diese Kombination war entscheidend für den Wunsch, Mathematik zu studieren.

Und warum haben Sie sich für das Fach Technomathematik entschieden?

Das war Zufall. Nach dem Abitur 1995 drückte mir eine Bekannte eine Broschüre über das Studienfach in die Hand. Als ich 1998 mit dem Studium an der Technischen Universität begann, war ich zunächst unsicher, ob Technomathematik das richtige Fach für mich wäre. Schließlich hat mich aber die Kombination von Informatik und Mathematik überzeugt. Daran hatte mein Professor, Rolf Möhring, erheblichen Anteil. Er hat uns vermittelt, wie man Mathematik in die Tat umsetzt. Ein klassisches Beispiel, das er in seiner Vorlesung ,Computerorientierte Mathematik‘ präsentierte, waren die Trefferseiten von Suchmaschinen, die anzeigten, wie viele Suchergebnisse das Programm mithilfe von Algorithmen in kürzester Zeit generiert hatte, also zum Beispiel 11 Mio. Treffer in weniger als einer halben Sekunde. Das hat mich beeindruckt; reine Mathematik – das hätte mich nicht interessiert.

In welchem Bereich sind Sie bei TomTom tätig?

Seit ich im September 2011 als Algorithm-Engineer angefangen habe, arbeite ich parallel an mehreren Projekten. Zum einen koordiniere ich das EU-Forschungsprojekt eCOMPASS, an dem vier Universitäten in Deutschland, Griechenland und der Schweiz und ein weiteres Unternehmen beteiligt sind. Es geht darum, Algorithmen für eine umweltverträgliche Mobilität zu entwickeln, so dass zum Beispiel stauanfällige Strecken vermieden werden, um den CO2 Ausstoß niedrig zu halten. Am Ende wollen wir eine praxistaugliche Applikation für Handys und andere Geräte haben, die Routen schnell, flexibel und vorausschauend plant und dabei die Reduzierung des CO2- Ausstoßes und individuelle Wünsche der Fahrer als Zielfunktionen berücksichtigt. Denn Autofahrer wollen meistens einen Mix aus Schnelligkeit und Umweltverträglichkeit. Dabei stellt sich zum Beispiel das Problem, dass Routen einerseits vorberechnet werden müssen, um Rechenzeit zu sparen, und andererseits flexibel gehalten werden müssen, um aktuelle Verkehrsinformationen und Wünsche der Nutzer zu integrieren. Theoretische Konzepte gibt es dafür in der Mathematik, und diese Konzepte zusammen mit den Uni-Forschern praxistauglich zu machen, das ist meine Aufgabe. Daneben entwickle ich Algorithmen für neue Produkte. Beim Algorithm-Design ist die mathematische Optimierung gefragt, für mich als Mathematiker ist das eine interessante Herausforderung.

Wie haben Sie sich für diese Aufgaben qualifiziert?

Ich habe schon an der Universität als Doktorand und später als Postdoc auf dem Gebiet der Kombinatorischen Optimierung geforscht. Meine Dissertation zum Beispiel habe ich über ein Optimierungsproblem bei den Arbeitsabläufen in einem Stahlwerk geschrieben. Darin steckte am Ende ein spannendes geometrisches Graphenproblem. Und die Komplexität des Verkehrs fasziniert mich schon immer, deshalb habe ich mich in der Diplomarbeit bereits mit mathematischen Problemen der Verkehrsoptimierung beschäftigt.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Bei eCOMPASS bin ich hauptsächlich mit Projektmanagement befasst, also Planung und Kommunikation. Bei der Kommunikation mit den Projektpartnern kommt mir sehr zugute, dass ich weiß, wie Forscher an der Uni arbeiten. Beim Algorithm-Design geht es um neuartige Apps und Services, die TomTom in Zukunft anbieten will. Da mache ich dann im Prinzip genau das, was ich an der Uni auch schon gemacht habe: Algorithmen designen, mathematische Modelle entwickeln, programmieren und mir Gedanken darüber machen, wie man Verfahren optimieren kann.

Arbeiten Sie nur mit Mathematikerinnen und Mathematikern zusammen?

Wir sind bei TomTom etwa 1000 Entwickler und Programmierer, darunter viele Mathematiker und Informatiker, aber auch Physiker. Eine Arbeitsgruppe besteht zwar oft nur aus zehn bis zwanzig Kollegen, aber bis zum marktreifen Produkt muss man sich mit allen möglichen Abteilungen abstimmen. Das erfordert IT-Werkzeuge und systematisierte Arbeitsabläufe, die mir neu waren. Darüber hinaus ist es wichtig, die Arbeitsweise der verschiedenen Abteilungen zu verstehen. Dafür ist das „Global Graduate Program“, das TomTom Uniabsolventen, Doktoranden und Postdocs bietet, unersetzlich. In dem Jahr lernen wir alle Unternehmensbereiche kennen, vom Customer Service über das Produkt Design bis zu der Abteilung in Belgien, wo die digitalen Karten generiert werden.

Ist Mathematik für Sie in erster Linie Beruf – oder auch Berufung?

Ich bin ein technisch denkender Mensch, ich möchte Abläufe verstehen, und das heißt für mich, diese Abläufe in Zahlen darzustellen, also mathematisch zu modellieren. Und ein gutes Modell bildet alle wichtigen Fakten ab, die die Realität diktiert. Ja, Mathematik ist für mich Berufung, aber ich habe auch an anderen Dingen Spaß: Familie, Kinder, Musik, Reisen oder auch Kochen.

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrem Beruf?

Mir macht das Projektmanagement genauso viel Freude wie das Design von Algorithmen. Aber natürlich gibt es immer Aufgaben, die mehr Spaß machen als andere. Algorithmen zu implementieren, also vom Papier in den Computer zu bringen, das ist eine kreative mathematische Aufgabe, die Algorithmen zu testen ist dagegen eher Routine. Und beim Projektmanagement macht es deutlich mehr Spaß zu planen als Projektpartner aufzufordern, ihre Aufgaben zu erledigen.

Wie schaffen junge Mathematikerinnen und Mathematiker am besten einen Einstieg in diesen Beruf?

Als Algorithm-Engineer sollte man auf jeden Fall das Programmieren mögen, und ich profitiere heute davon, dass ich mich als Student an Projekten mit Industriepartnern beteiligt habe. So habe ich gelernt, interdisziplinär zu kommunizieren, mit Nicht-Mathematikern und mit Partnern außerhalb der Uni. Diese kommunikativen Fähigkeiten braucht man in einem internationalen Unternehmen wie TomTom mit 3700 Mitarbeitern aus 70 Nationen an 40 Standorten weltweit.

 

Das Gespräch führte Kristina Vaillant,
freie Journalistin in Berlin.
www.vaillant-texte.de